"Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit und das Geheimnis der Freiheit der Mut"

Raffaela Fehr, Kantonsrätin der FDP, hielt an der 1. August Feier in Volketswil eine spannende Rede zum Thema "Freiheit". Lesen Sie hier die vielen spannenden Inputs nochmals nach.

Text: Raffaela Fehr (Rede an der 1. August-Feier 2022 in Volketswil)

Liebe Festgemeinde

Vielen Dank Jean-Philipp für die nette Einführung und danke auch an die FDP Volketswil, die dieses Jahr die Rednerin wählen durfte, für das Vertrauen. Ich freue mich sehr über die Möglichkeit meine erste 1. August Rede da in meiner Heimatgemeinde Volketswil halten zu dürfen. Bin aber wohl auch umso nervöser.

Am 1. August treffen wir uns mit Familie und Freunden, mit Nachbarn oder anderen Festgängern. Und nebst dem, dass wir das Zusammensein bei einem feinen Cervelas leider ohne Höhenfeuer geniessen, erinnern wir uns am 1. August gerne an die Grundwerte der Schweiz - Freiheit, Verantwortung, Gemeinsinn. Jedes Jahr, je nach dem welche Geschehnisse gerade besonders bewegen, rückt ein anderer Aspekt in den Fokus.

Seit einigen Monaten ist der Krieg in der Ukraine mit seinen Folgen in den Medien präsent. Damit drängt sich das Thema Freiheit besonders auf.

Um einen gemeinsamen Nenner zu schaffen, wollen wir erst einmal fragen, was Freiheit überhaupt ist? Ich habe das Lexikon befragt und folgende etwas trockene Antwort bekommen: Freiheit ist die Abwesenheit von inneren und äusseren Zwängen.

Mir persönlich gefällt mir die etwas lebhaftere Formulierung von Jean-Jaques Rousseau einem Schriftsteller und Philosophen aus Genf besser. Er definierte es vor rund 300 Jahren so: Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann was er will, sondern, dass er nicht tun muss was er nicht will.

Dank dem was unsere Vorfahren geleistet haben, leben wir in der Schweiz mit weitreichenden Freiheiten. Wenn einem aber vor Augen geführt wird, wie schnell Freiheit verloren gehen kann, muss man sich fragen: wie schützen, wie sichern wir unsere Freiheit?

Um das zu beantworten, bediene ich mich einem weiter Sprichwort und zwar von Perikles einem griechischen Staatsmann der 490 v Chr. Lebte. Er sagte: Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.

Die Gefechte in der Ukraine unterstreichen es, wer Freiheit will muss dafür kämpfen und dieser Kampf braucht Mut! Wir hier in der Schweiz sind vom wortwörtliche kämpfen zum Glück verschont. Aber Freiheit schwindet auch auf andere Weise und in den kommenden Jahren brauchen wir in verschiedenen Bereichen Mut, um für unsere Freiheit und die Freiheit unser Kinder einzustehen.

Energie / Abhängigkeiten

Die Verknappung und Verteuerung der Energie in den vergangen Monaten hat uns unsere Abhängigkeit von manchmal fragwürdigen Partnern oder Regiemen offenbart und uns bewusst gemacht, dass wir unsere Unabhängigkeit früher hätten sichern sollen. Wenn man Nachts auf dem Homberg steht und auf die Flutlichter der Sportplätze, die Straßenbeleuchtungen, die Leuchtreklamen usw. herunterschaut, erkennt man schnell, dass in unserer Verbrauchsgesellschaft durchaus Sparpotential liegt. Das alleine kann aber nicht die Antwort sein. Wir müssen bestehende Hindernisse abbauen und die nachhaltige inländische Energiegewinnung fördern, damit gewinnen wir ein Stück Autonomie zurück.

Abhängigkeiten sind dennoch nicht zwangsläufig schlecht. Denn unsere Schweiz ist klein und für unsere Industrie unsere Wirtschaft zu klein. Mit dem Zugang zum europäischen Markt, können wir einerseits dringend benötigte Fachkräfte gewinnen, und andererseits gibt man vielen Firmen die Möglichkeit sich zu entwickeln.

Ausserdem lebt die Schweiz auch von ihrer Innovationsstärke und diese bedingt einen starken Forschungsstandort. Forschungserfolge sind heute aber keines Wegs mehr Einzelleistungen, sondern viel mehr das Resultat von Kooperationen. Unsere Hochschulen brauchen darum die internationale Vernetzung, um ihren Beitrag für eine innovative und entwicklungsstarke Schweiz leisten zu können.

Vernetzen wir uns mit Anderen, Gleichgesinnten mit gleichen oder ähnlichen Werten, so können wir positives erreichen. Die grosse Herausforderung dabei ist, die Abhängigkeit und die Unabhängigkeit in ein Gleichgewicht zu bringen. Ich finde in weiten Teilen gelingt uns das in der Schweiz bis jetzt gut. In den Aussenbeziehungen aber ist besonders schwierig und wir müssen uns der Konsequenzen von fehlender oder eben zu weit gehender Vernetzung bewusst sein.

Altersvorsorge

Für Freiheit müssen wir aber auch in einem durch und durch schweizerischen Thema wie der Altersvorsorge kämpfen. Jahr für Jahr steigt die Verschuldung unserer Sozialwerke. Mit diesen Schulden belasten wir unsere Kinder und Enkelkinder. Die AHV lebt aber von einem weiteren unsere Grundwerte. Nämlich der Solidarität. Der Solidarität zwischen Großverdienern und Niedgrigverdiener. Der Solidarität zwischen den Geschlechtern. Der Solidarität zwischen Jung und Alt. Wenn wir also im September über die AHV-Reformen abstimmen, ist es an der Zeit auch Solidarität zwischen Alt und Jung zu beweisen und es ist an der Zeit den Mut für einen ersten Schritt zu haben, um den folgenden Generationen das zu wahren, worauf wir so stolz sein dürfen - unser 3-Säulen-System.

Fachkräftemangel

Der Fachkräftemangel ist eine weitere einschränkende Situation. Die Demographie ist für diesen ein wichtiger Treiber, aber ebenso unser Wohlstand, unsere Lebensweise und unsere gesellschaftlichen Strukturen. Der Fachkräftemangel ist in vielen Branchen akut und als Folge davon warten wir zum Beispiel länger auf einen Handwerker oder ich bekomme meine Lieblingsschockostreusel nicht mehr. Aber in Branchen, wo es ums Wohl der Menschen geht, wie in der medizinischen Grundversorgung und Pflege oder der Bildung, geht der Fachkräftemangel ans Lebendige. Wir werden gezwungen von bisherigen Systemen und Vorgehensweisen abzuweichen und verlieren damit ein Stück Entscheidungsfreiheit. Wir können und müssen diese Entwicklung aber auch nutzten und neue, kreative, mutige Lösungen suchen. Vielleicht können wir damit sogar negative Entwicklungen der vergangen Jahre durchbrechen.

In der Gesundheitsversorgung müssen wir beispielsweise Strukturen schaffen damit Vernetzung zwischen den verschiedenen Leistungserbringer stattfinden kann, und die in den letzten Jahren verloren gegangene Gesundheitskompetenz von jedem Einzelnen, wie man zum Bsp. eine Erkältung oder eine Prellung selber behandelt, soll wieder aufleben können. Und in der Volksschule ist es so, dass sie in den vergangen Jahren immer mehr Aufgaben ausserhalb des eigentlichen Lehrauftrags übernommen hat. Die Diskussion darüber was nötig, was lediglich wünschenswert ist, kann jetzt von neuem lanciert werden.

Die wichtigste und branchenunabhängige Diskussion bezüglich Fachkräftemangel aber ist, was wir als Staat, Gesellschaft, Arbeitgeber und Individuen bereit sind anzubieten. Anzubieten damit die Frauen ihr Potential dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Denn dieses brauchen wir um die Unabhängigkeit zu wahren. Darum braucht es Rahmenbedingungen für neue Arbeitsformen, andere Zeitmodelle und flexible Arbeitsorte.

Regulationen

Oftmals sind wir in Sachen Freiheit auch unserer eigener Feind. Damit spreche ich die stetig steigende Fülle an Gesetzen an. Dass bei immer mehr Menschen in der Schweiz, auch mehr geregelt werden muss ist zumindest teilweise verständlich. Dennoch bin ich der Überzeugung, sollten wir uns bei jedem neuen Gesetzt fragen, welchem Ziel oder Grundwert es dient. Wird das freiheitliche Zusammenleben gestärkt? Oder bevormunden wir Viele wegen Wenigen? Fördern wir damit Solidarität? Oder wird die Solidarität überstrapaziert? Übernehmen wir damit Verantwortung? Oder schaffen wir die Eigenverantwortung ab?

Eine grosse Regeldichte bringt staatliche Kontrollen, Administration und vor allem Kosten mit sich. In diesem Kontext hat die Eigenverantwortung für mich einen besonderen Stellenwert. Ich finde sie steht nämlich auch stellvertretend für gesunden Menschenverstand und eine gemeinsame Werthaltung. Es ist unser Auftrag als Eltern und auch ein wenig als Gesellschaft unseren Kindern und Mitmenschen unsere Wert mitzugeben und zu diskutieren. Alles andere führt dazu, dass wir uns selber Einschränken.

Von international zu kommunal

Ich habe auf der internationalen Ebene gestartet und bin nun auf der kommunalen angelangt. Wir stellen uns da mit dem Thema Einheitsgemeinde dem gleichen Zielkonflikt. Dem Zielkonflikt zwischen positiver Vernetzung und negativer Abhängigkeit. Für mich persönlich ist unser Bildungssystem mit der Volksschule als Pfeiler der Erfolgsfaktor Nummer 1 für das hohe Wohlstandsniveau der Schweiz. Darum ist für mich klar, die Interessen der Schule müssen in den Gesprächen gehört und darauf eingegangen werden. Und nur für den Fall, dass das Gleichgewicht zwischen Abhängigkeit und Unabhängigkeit nicht gefunden wird, muss zu Gunsten der Freiheit entschieden werden.

Fazit

Das Thema Freiheit ist äusserst vielschichtig und in vielen Themen zu finden. Überall zeigt sich aber das Selbe: Der größte Feind der Freiheit ist die Angst - und-wir brauchen Mut um unser Glück durch Freiheit zu erhalten. Freiheit in der wir uns selbst sein können, Freiheit in der wir unsere Leben gestalten können, Freiheit um Träume zu träumen aber auch zu leben.

Der 1. August ist eine gute Gelegenheit sich zu überlegen worauf wir zu recht stolz sein dürfen, und wo wir unser Handeln den aktuellen Gegebenheiten anpassen müssen.

Ich bin mir sicher, dass wir auch in Zukunft einen ausbalancierten Weg finden werden. Denn die Schweiz ist stark, die Schweiz ist innovativ, die Schweiz ist mutig! Und wir, wir alle sind die Schweiz.

Und jetzt wünsche ich Ihnen und Euch allen einen wunderschönen 1. August!